“Schwere” Fälle in der häuslichen Pflege

Wenn ein Betreuungsfall als "schwer" einzustufen ist, ist es oft nicht einfach eine Betreuungskraft zu finden. Betroffene und deren Familien haben Möglichkeiten, den Betreuungskräften entgegenzukommen und somit weniger belastende Arbeitsbedingungen zu schaffen...

Aktualisiert :

September 3, 2021

Welche Kriterien die Schwere der Pflege ausmachen &  wie man Betreuungskräften entgegenkommen kann


Kein Pflegefall gleicht einem Anderen: Deswegen ist eine individuelle und persönliche Pflege oft die beste Unterstützung für Pflegebedürftige und deren Angehörigen. Für Menschen, die auf eine “Rund um die Uhr” Betreuung angewiesen sind, gibt es die Möglichkeit der “24 Stunden Pflege”. Die Betreuungskraft zieht für einen bestimmten Zeitraum mit in den Haushalt ein und ist somit 24 Stunden vor Ort, aber nicht 24 Stunden im Arbeitseinsatz. Sie übernimmt die anfallenden Pflegeaufgaben und ist im Notfall zur Stelle.

Welche Kriterien erschweren einen Betreuungsfall oder machen die Arbeit für Betreuungskräfte komplizierter?

Starke Einschränkung der Bewegungsfähigkeit

Bei Personen, die bettlägerig oder an einen Rollstuhl gebunden sind, steigt die körperliche Belastung, für eine Betreuungskraft enorm. Aber auch wenn die pflegebedürftige Person nicht groß oder schwer ist, muss diese trotzdem mehrmals täglich voll angehoben werden, was die Arbeit deutlich erschwert.

Aggressives Verhalten

Oftmals kommt es beispielsweise bei einer stark ausgeprägten Demenz zu Situationen, in denen Betreuungskräfte mit verbaler oder physischer Aggressivität umgehen müssen. Das kann unter Umständen Angst auslösen und auf Dauer die eigene Psyche der Betreuungskräfte belasten. Gerade wenn männliche Patienten sich gegenüber weiblichen Betreuungskräften aggressiv verhalten, führt das oft zu Überforderung und Problemen. 

Inkontinenz

Wenn aufgrund einer Stuhl- / Harninkontinenz mehrmals täglich und in der Nacht Windelhosen gewechselt werden müssen, ist das für Betreuungskräfte ein höherer Aufwand. Gerade bei einer Stuhlinkontinenz in Verbindung mit Demenz, wird den Betreuungskräften sowohl zeitlich als auch körperlich mehr abverlangt. 

Mehr Patienten-Haushalt

Wenn mehrere Personen in einem Haushalt Pflege benötigen, bedeutet dies auch gleichzeitig mehr Arbeit für eine Betreuungskraft. Gerade mit dem Anspruch sich individuell abgestimmt um eine Person zu kümmern, erschwert das oft die Umsetzung. Wenn eine weitere Person (z.B. Partner/in) im Haushalt wohnt, die keine Pflege benötigt, kann dies unter Umständen auch zu einem größeren Arbeitsaufwand oder emotionalen Stress führen. Denn in vielen Fällen, werden die Betreuungskräfte kritisiert und eingeschüchtert, wodurch sie nicht frei ihre Arbeit machen können.

Nachteinsätze

Bei Fällen, in denen die Betreuungskräfte mehr als zwei Mal pro Nacht aufstehen müssen, sind gerade auf lange Zeit sehr anstrengend. Wenn die nächtliche Ruhe und Erholung ausfällt, wird die alltägliche Pflege zur noch größeren Belastung.

Abwesenheit der Pausenzeiten

Es ist keine Option, dass eine Betreuungskraft ohne geregelte Pausenzeiten arbeitet. Ist der tägliche Arbeitsaufwand so hoch, dass diese entfallen würden, bringt das eine sehr hohe Belastung der Betreuungskräfte mit sich, die nicht vertretbar ist. 

Ansteckende Krankheiten

Die Pflege von Patienten mit Krankheiten, wie beispielsweise MRSA und Gürtelrose, birgt ein Ansteckungsrisiko, dem sich nicht viele Betreuungskräfte  aussetzen wollen. Viele haben eine Familie zu Hause, die sie nicht gefährden wollen. Die Arbeit bedarf an spezifischer Erfahrung und einem sicheren Umgang mit potenziell ansteckenden Patienten.

Fortgeschrittener Krebs & Sterbebegleitung

Meistens findet die Pflege von Patienten mit Krebs im Endstadium überwiegend im Bett statt. Neben einem höheren Arbeitsaufwand kann hierbei auch die Psyche von Betreuungskräften belastet werden. Die Begleitung von sterbenden Menschen und die Verarbeitung des Verlustes, sind emotional sehr schwierige Situationen. 

Ernährung über Sonde

Der Umgang mit einer PEG Sonde erfordert medizinisches bzw. Pflegerisches Fachwissen und einen sicheren Umgang. Viele Betreuungskräfte fühlen sich nicht wohl mit dieser AUfgabe und haben Angst davor nicht korrekt damit umgehen zu können.

Stoma / PuFi 

Das Wechseln oder Reinigen eines künstlichen Darmausgangs muss von Fachpersonal durchgeführt werden. Betreuungskräfte haben in der Regel nicht die nötige Erfahrung oder Ausbildung.


Wie kann man als Familie den Betreuungskräften entgegen kommen?

Obwohl bei einem “schweren” Pflegefall überdurchschnittlich viel Arbeit auffällt, die unter Umständen auch sehr belastend sein kann, wünschen sich viele Familien eine individuelle und bezahlbare 24h Betreuung.

Um eine passende Betreuungskraft zu finden, sollte prinzipiell die Schwere des Falls kein Hindernis sein. Hilfreich ist es, sich der Situation bewusst zu sein und zu versuchen, den Betreuungskräften etwas entgegen zu kommen. Je nach Pflegefall gibt es dafür verschiedene Möglichkeiten:


Grundsätzlich gilt, wenn die Arbeit mit potenziell schweren Fällen gut vergütet wird, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass Betreuungskräfte einen Fall annehmen. Außerdem darf nie vergessen werden, dass Betreuungskräfte auch nur Menschen sind und eine gewisse Kapazität an physischer und psychischer Kraft besitzen. Ein respektvoller und freundlicher Umgang sind das Wichtigste, damit sich eine Betreuungskraft wohl und geschätzt fühlt. 


Bei starker Einschränkung der Bewegungsfähigkeit 

Um die alltägliche Belastung zu verringern gibt es einige unterstützende Hilfsmittel. Zum Beispiel ein Patientenlifter oder ein Rutschbrett helfen bei der Mobilisierung und beim Anheben und können unter Umständen als “Haushaltsnahe Leistungen” von der Steuer abgesetzt werden. Zusätzlich kann ein Pflegedienst eingebunden werden, der die Betreuungskraft morgens und abends unterstützen kann. 

Bei aggressiven Verhalten

Neigen Patienten zu verbaler oder sogar physischer Aggressivität, hängt es sehr von dem Erfahrungswert und dem Charakter der Betreuungskraft ab, inwieweit sie damit umgehen kann. Als Familie kann man versuchen die Arbeit der Betreuungskraft aktiv wertzuschätzen und ihr das Gefühl geben, nicht allein in der Situation zu sein. Manchmal kann es auch helfen der zu betreuenden Person gut zuzusprechen, um das aggressive Verhalten zu regulieren.

Bei Inkontinenz

Um die Pflege nicht noch schwerer zu machen, sollte bei Inkontinenz die Verwendung von Windelhosen in Betracht gezogen werden. Stellen Sie dabei sicher, dass alle weiteren Hilfsmittel vorhanden sind und zum Beispiel die Windelhosen in der passenden Größe verwendet werden.

Bei einem mehr Patienten-Haushalt

Hierbei sollte nochmal mehr auf eine gute Kommunikation geachtet werden. Durch Nachfragen und Abklärungen, können Missverständnisse aus dem Weg gegangen werden. Gehen Sie auch sicher, dass die Betreuungskraft wirklich nur die Pflegeaufgaben übernimmt, die ausgemacht wurden. Auch wenn es sich nur um Kleinigkeiten handelt, kann dadurch Respekt und Zusammenhalt vermittelt werden. 

Bei Nachteinsätzen

Wenn Betreuungskräfte in der Nacht öfter aufstehen um zu arbeiten, müssen sie die Möglichkeit haben, sich tagsüber ausruhen zu können. 

Bei Abwesenheit der Pausenzeiten

Pausenzeiten zum ausruhen sind extrem wichtig. Es ist keine Option für eine längere Zeit jeden Tag durchzuarbeiten. Sollte es doch dazu kommen, dass Betreuungskräfte nicht täglich Pause machen können, brauchen sie mindestens einen kompletten freien Tag oder 2 halbe freie Tage in der Woche.

Bei ansteckenden Krankheiten

Um Betreuungskräfte etwas mehr Sicherheit zu geben, können Familien von Patienten mit ansteckenden Krankheit sicher gehen, dass die nötigen Schutzmaßnahmen getroffen werden können. Genügend sanitäre Handschuhe, Desinfektionsmittel, eventuell Masken oder andere Hilfsmittel helfen die Ansteckungsgefahr zu verringern. 

Bei fortgeschrittener Krebserkrankung & Sterbebegleitung

Es ist hilfreich, wenn den Betreuungskräften nicht die ganze Last aufgetragen wird. Auch für die Familien bietet es sich eventuell an, zusätzlich einen Pflegedienst oder eine palliative Hilfe mit einbinden, um somit eine pflegerische und emotionale Unterstützen zu haben.

Bei Ernährung über eine Sonde

Um den Betreuungskräften die Angst mit dem Umgang einer Sonde zu nehmen, ist eine professionelle Einweisung durch eine ausgebildete Kraft hilfreich.

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